Wissenschaft
Die wohl größten Probleme in Wissenschaft und Industrie sind durch zunehmende Komplexität der wissenschaftlichen Aspekte gekennzeichnet. Neue wissenschaftliche Durchbrüche, als auch neue industrielle Entwicklungen erfordern oft internationale Zusammenarbeit und interdisziplinäre Interaktion, welche in diesem Forschungsprogramm zusammen fließen. Diese internationale Graduiertenschule bildet somit die Basis für die nächste Generation von Arbeitskräften in forschungsorientierten Umgebungen. Die Projekte des IRTG-2379 umfassen sowohl grundlegende als auch angewandte Forschungsfragen, die zu zukünftigen Karrierewegen als Wissenschaftlerin oder Wissenschaftler sowie Forschungsingenieur und Forschungsingenieurin führen.
Das Qualifizierungsprogramm soll Doktoranden und Doktorandinnen auf diese Karrierewege vorbereiten, indem es eine qualitativ hochwertige Forschungsausbildung in den relevanten Bereichen bietet und gleichzeitig ausreichend Struktur und Betreuung bereitstellt, um einen Abschluss innerhalb von drei Jahren zu ermöglichen.
Forschungsprogramm
Computergestützte Herangehensweise an modernen und inversen Problemen
Computertechniken sind ein unverzichtbarer Bestandteil des Instrumentariums einer jeder Ingenieurin oder eines Ingenieurs und des Labors eines jeden Wissenschaftlers oder Wissenschaftlerin. Mittlerweile hat das Gebiet der Computational Engineering (und) Science (CES) einen bedeutenden Einfluss auf die Welt und kann als eigenständige Disziplin betrachtet werden. Der rechnergestützte Ansatz wird jedoch oft nur als Ersatz für experimentelle Analysen oder als reines Prognosewerkzeug betrachtet; sein volles Potenzial kann hingegen nur durch die Einführung neuer Analyse- und Entwurfsprozesse ausgeschöpft werden.
Seit fast zwei Jahrzehnten ist CES ein wichtiger Forschungsbereich sowohl an der RWTH Aachen als auch an der UT Austin: Computergestützte Ansätze werden als neues Werkzeug zur Entdeckung, Identifizierung und Unterscheidung von bisher unbekannten Modellen genutzt, welche komplexe Phänomene steuern und beschreiben, aber auch um innovative und optimierte Produkte und Prozesse zu entwickeln. Bei all diesen Ansätzen gibt es eine umfassende Methodik, die das IRTG als moderne inverse Probleme bezeichnet. Das Graduiertenkolleg verwendet diesen Begriff, um dieses breite Spektrum aktueller Probleme in den Ingenieur- und Naturwissenschaften zu beschreiben, bei denen CES zu beispiellosen Durchbrüchen in der Designqualität, der Effizienz des Betriebs und dem Verständnis von Systemen und Materialien führen kann.
Das IRTG der RWTH und UT Austin baut auf ihren erfolgreichen Forschungserfahrungen auf und geht in folgenden Punkten weit darüber hinaus:
- Der Forschungsschwerpunkt liegt auf wichtigen und neu entstehenden Aspekten inverser Probleme, insbesondere auf der Datenanalyse, der Hybridisierung von Modellen, der fortgeschrittenen geometrischen Modellierung, der Quantifizierung von Unsicherheiten und der Übertragung auf Anwendungen.
- Durch die Verstärkung der Interaktion zwischen dem Center for Simulation and Data Science (JARA-CSD) an der RWTH und dem Oden Institute for Computational Engineering and Sciences an der UT profitieren die Doktoranden von einer ganzheitlichen und interdisziplinären Perspektive auf moderne inverse Probleme, die in die Ausbildung an beiden Institutionen integriert ist.
Allianz der Geometrie, Daten, Modellen und Anwendungen
Aus dem breiten Spektrum der Aspekte moderner inverser Probleme hat das IRTG vier Themen ausgemacht, die die Forschungsrichtungen des IRTG beinhaltet. Die Themen stehen nicht für sich allein, sondern ihr Zusammenspiel spielt eine wesentliche Rolle in den nachfolgend beschriebenen Projekten.
- Geometrie. Eine digitale Darstellung der geometrischen Form oder Domäne ist die Grundlage der meisten technischen Anwendungen. Eine geeignete und flexible problemspezifische geometrische Darstellung ist für die Berechnung von entscheidender Bedeutung. Im Allgemeinen gibt es zwei Klassen von Problemen: Im ersten Fall ist die Geometrie ein Bestandteil des Vorwärtsmodells und muss, möglicherweise in grober Form bekannt sein. Sie muss sorgfältig mit dem Modell verbunden werden, um Leistung und Genauigkeit zu erreichen. Im zweiten Fall ist die Geometrie unbekannt und muss über ein inverses Problem ermittelt werden. Ein typisches Beispiel ist die Bildverarbeitung.
- Daten. Die Kombination von Beobachtungen und Messungen mit Modellen ist ein grundlegender Aspekt der inversen Probleme in der CES. Oft lassen sich praktische physikalische Modelle eines Prozesses nicht allein aus ersten Prinzipien ableiten. Gleichzeitig sind wichtige Daten über den Prozess in Form von Beobachtungen oder Messungen verfügbar, die jedoch in der Regel mit Unsicherheiten behaftet sind. Umgekehrt kann eine große Menge an Daten aus Berechnungen nach ersten Grundsätzen verfügbar sein, die jedoch schwer zu handhaben sind. All dies sollte bei der Schätzung der Parameter eines Modells oder der Ableitung des Modells selbst berücksichtigt werden.
- Modelle. In zunehmendem Maße beinhalten technische Probleme eine Vielzahl physikalischer Effekte und folglich mehrere Skalen und interagierende Modelle. Dies stellt eine Herausforderung sowohl für die Modellformulierung als auch für numerische Methoden dar, insbesondere wenn sie im Zusammenhang mit einem inversen Problem betrachtet werden. Darüber hinaus ist die Modellierung bei der Interpretation und Verarbeitung von Daten und der Darstellung der Geometrie von großer Bedeutung. Hier geht das Konzept eines Modells über eine Differentialgleichung hinaus und umfasst zunehmend datengesteuerte Beziehungen.
- Anwendungen. Moderne inverse Probleme müssen die jeweilige Anwendung berücksichtigen und auf sie zugeschnitten sein. Gleichzeitig steigt bei industriellen Anwendungen der Bedarf an Individualisierung und die Komplexität der Prozesse nimmt stetig zu. Zusammengenommen stellen diese Faktoren sowohl für die klassische Produktionsindustrie als auch für die Entwicklung der Simulationstechnik erhebliche Herausforderungen dar. Dies erfordert einen Paradigmenwechsel hin zu automatisierten und dennoch spezialisierten Entwurfsansätzen, die in den Rahmen inverser Probleme passen